Unser Bedürfnis nach einer lingua franca kann zurückgeführt werden auf den historischen Turm zu Babel, von dem Archäologen annehmen, dass er vor mehreren Jahrtausenden in Babylon erbaut wurde. Wie Sie vielleicht aus der Geschichte im Buch Genesis wissen, haben die Menschen einst die selbe Sprache gesprochen und lebten zusammen in Harmonie. In einem Anfall von Überheblichkeit begannen die Menschen einen Turm zu bauen, der bis zum Himmel reichen sollte, und jenes höhere Wesen, das wir alle verehren, lehrte sie eine Lektion in Demut, indem er ihre Sprache so verwirrte, dass sie einander nicht mehr verstanden. Die Konsequenz war, dass das Turmbau-Projekt fehlschlug und die anmaßenden Turmbauer über die ganze Welt verstreut wurden. Die Geschichte macht klar, was für eine unverzichtbare Rolle eine gemeinsame Sprache für kooperative Großunternehmungen hat. Mit einer gemeinsamen Sprache sind hervorragende Leistungen möglich, ohne sie jedoch ist das Versagen unausweichlich.

Der Ausdruck lingua franca wird oft benutzt, um Sprachen zu beschreiben, die für internationale Geschäftsangelegenheiten verwendet werden. Tatsächlich kommt der Ausdruck von einer ganz speziellen Hybridsprache, genannt Lingua Franca (italienisch für „fränkische Sprache“; eine Mischung aus Italienisch, Französisch, Spanisch, Griechisch und Arabisch) , die seit dem 14. Jahrhundert in vielen mediterranen Handelshäfen gesprochen wurde. Die Lingua Franca war weder die erste noch die letzte internationale Geschäftssprache. In der westlichen Welt waren Griechisch und Latein die Vorläufer der Lingua Franca, Französisch und Englisch sind ihre Nachfolger. Momentan ist Englisch die internationale lingua franca, welche in fortschreitendem Maße überall auf der Welt fließend gesprochen wird.

Ebenso wie die Geschäftswelt braucht auch die Welt der Technik eine lingua franca, und zu diesem Zweck haben die verschiedenen technischen Disziplinen eine große Vielfalt von synthetischen Sprachen entwickelt, von denen viele auf der Mathematik basieren. Physiker und Ingenieure zum Beispiel unterhalten sich typischerweise in Infinitesimalrechung.

Welche lingua franca sprechen Software Ingenieure? Obwohl sie eine große Vielfalt verschiedener Programmiersprachen und -dialekte (z.B. C++, BASIC, COBOL, SQL) verwenden, sprechen sie üblicherweise eine gemeinsame Modellierungssprache: die Unified Modeling Language (UML). In den sieben Jahren seit die Object Management Group die UML als ihren Modellierungssprachenstandard angenommen hat, ist es schwierig geworden, ein Softwareprojekt mit mehr als zehn Beteiligten zu finden, das nicht UML auf irgendeine Weise nutzt, sei es nur für formlose Skizzen.

Das Buch, in dem Sie gerade lesen, behandelt die neueste Überarbeitung dieser Modellierungs-lingua franca, UML 2. Sowohl UML-Einsteiger als auch Experten werden den Umfang, die Tiefe und die Qualität der Beispiele in dieser hervorragenden Einführung in die UML 2 zu schätzen wissen.

Die UML 2 bietet viele nennenswerte Verbesserungen im Vergleich zu ihrem Vorgänger, der UML 1. Sie unterstützt komponentenbasierte Entwicklung, indem sie dem Modellierer erlaubt, umfangreiche Kompositionsstrukturen rekursiv in Parts, Ports und Konnektoren zu zerlegen. Gleichzeitig ermöglicht sie dem Modellierer, alle wichtigen Verhaltenskonstrukte, wie etwa Interaktionen, Zustandsautomaten und Aktivitäten, rekursiv zu zerlegen. Des weiteren erlaubt sie dem Modellierer, Struktur und Verhalten flexibel zu integrieren, da die gleichen Notationselemente in Struktur- und Verhaltensdiagrammen auftreten. Zum Beispiel können die selben Notationselemente, die in einem Kompositionsstrukturdiagramm einer Klasse benutzt werden um ihre innere Struktur zu zeigen, auch in einem Sequenzdiagramm verwendet werden um zu verdeutlichen, wie die inneren Strukturen miteinander kommunizieren.

Wir haben noch viel spannende Arbeit vor uns, bevor die modellgetriebene Entwicklung Mainstream wird. Ich fühle mich jedoch durch Bücher wie dieses ermutigt, das die UML 2 Modellierungsgrundlagen klar und verständlich erklärt und sie pragmatisch anwendet. Ich hoffe, Sie werden von diesem Buch genauso profitieren wie ich und Ihre neuen Erkenntnisse zur Verbesserung Ihrer eigenen Modellierungspraktiken nutzen.

Cris Kobryn
Leiter der UML-Aktivitäten bei der OMG
Vorstandsvorsitzender der PivotPoint Technology Corporation




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Generated: 2004-06-11T07:11:21+01:00
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